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Magie des Fragens

„Die Magie des Fragens“ – Handbuch für professionelle Kommunikatoren

Interview in MultiMind: Robert Stein-Holzheim befragt  Klaus Grochowiak und Stefan Heiligtag  

Vor über dreißig Jahren nahmen zwei hochbegabte und neugierige junge Männer die ihrer Meinung nach wirkungsvollsten therapeutischen Modelle und ihre Schöpfer unter die Lupe. Als Ergebnis dieser „Expertisestudie“ entstand das Neurolinguistische Programmieren (NLP).
Viele Jahre später fokussierten wieder zwei Neugierige auf einen Aspekt dessen, was Gregory Bateson „Das Muster, das verbindet“ nannte. Sie untersuchten eine der semantisch wohl grundlegendsten Strukturen unserer Kommunikation: Das Fragen.
Im cnlpa-Verlag erhältlich ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Klaus Grochowiak und Stefan Heiligtag unter dem Titel „Die Magie des Fragens“.
Was also könnte näher liegen, als die Autoren einer Befragung zu unterziehen.

 

RSH: Herr Grochowiak, Sie haben zusammen mit Stefan Heiligtag ein 500-Seiten Buch über Fragen geschrieben. Wir alle stellen Fragen von klein auf. Man sollte meinen, wir können fragen. Wozu brauchen wir ein Buch über das Fragen?

KG: Eben weil wir alle unentwegt fragen, sind die dabei benutzten Strukturen im Bereich der unbewussten Kompetenz. Durch professionelle Kommunikatoren sind wiederum bestimmte Fragemethodiken entstanden, die alle von bestimmten Vorannahmen und Zielvorstellungen geprägt sind. Was fehlt, ist eine Gesamtschau, was für Fragen es überhaupt gibt, wie sie zu Modellen zusammengestellt werden können. Des weiteren fehlt es an Kriterien, welche Fragerichtung ich in einer konkreten Situation sinnvoller Weise einschlagen sollte, um das Gesprächsziel zu erreichen.

RSH: Das klingt nach einem Rundumschlag. Heißt das, Sie hatten von Anfang an vor, alle semantischen Kontexte, die Fragen ermöglichen und formen, zu untersuchen?

SH: Uns war von vorneherein klar, dass wir uns mit dem Buch auf professionelle Kontexte beschränken würden; zu Beginn wollten wir uns sogar ausschließlich auf das NLP-Meta-Modell konzentrieren. Nicht klar war uns hingegen, wie sehr das Projekt vom Umfang her explodieren würde, nachdem wir die ersten tieferen Einblicke in diese komplexe Materie gewonnen hatten. Es gab eine inhaltliche Entwicklung, in der uns jeder Erkenntniszuwachs zu neuen Fragestellungen führte.

RSH: Welche Fragestellungen standen am Anfang? Und wie ging es dann weiter?
SH: Zu Beginn hatten wir die Idee, zusammen ein Buch über das NLP-Meta-Modell zu schreiben. Das ist ja immer noch die zentrale Fragetechnik im NLP. Um dieses Modell herum ranken immer noch einige Mythen, die eine effiziente Anwendung dieser Methode eher behindern. Wir fragten uns: Wie kann man die Einseitigkeiten des Metamodells neutralisieren? – Diese Frage hat unseren Blick auf die anderen Fragen im NLP (zum Beispiel die Fragen des Outcome Frame) gerichtet, mit denen Bandler und Grinder selbst versuchten, die unausgesprochenen Limitationen des Meta- Modells zu überwinden. Der nächste Schritt war dann zu schauen, wie andere therapeutische Richtungen fragen.

KG: Also haben wir das Projekt ausgeweitet. Jetzt wollten wir ein Buch über therapeutische Fragetechniken schreiben. Doch als wir dabei waren, kam die nächste Frage auf: Was sind überhaupt Fragen? Was für unterschiedliche Kategorien von Fragen gibt es? Was bewirken Fragen bei dem Befragten? Für wen ist eine Frage bzw. die Antwort wichtig – für den Befragten oder für den, der fragt? Uns wurde klar, wir mussten auch die theoretischen Grundlagen des Fragens hinterfragen.

RSH: Von den Semantikern bis zu den Philosophen haben sich doch mit diesen Themen bestimmt schon viele kluge Köpfe auseinandergesetzt – Ist das denn nicht alles längst gründlichst erforscht?

KG: Eben gerade nicht. Und was mich am meisten überrascht hat: in der Philosophie gibt es über Fragen fast überhaupt nichts. Es gab eine einzige umfangreiche Arbeit über Fragen, die wir auch verwertet haben, aber ansonsten …

RSH: Können Sie die benennen?
KG: Heinrich Rombach heißt der Autor, und das Buch heißt: „Über Ursprung und Wesen der Frage“. Aber das war wirklich das einzige, das wir gefunden haben. Dann gab es noch hier und da bei einigen Philosophen verstreute Anmerkungen über Fragen, aber eben keine Monographie, die sich umfassend mit diesem Thema befasste.

SH: So wurde also aus unserem Projekt, etwas über das Metamodell zu machen, ein Projekt über therapeutische Fragetechniken und theoretische Grundlagen des Fragens. Was wir uns damit einbrockten, konnten wir damals nur ahnen.

RSH: Jetzt liegen hier 500 Seiten auf dem Tisch.
KG: Das Projekt hat uns vier Jahre gekostet und hat sich zu einem wirklich monumentalen Werk ausgeweitet. Aber ich bin im Nachhinein froh, dass wir uns die Mühe gemacht haben. Viele unserer Kollegen, denen wir von dem Projekt erzählten, sagten: „Ja, darauf haben wir schon lange gewartet.“

RSH: Sie sagen ‚Kollegen’ … ist das Buch nur für Ihre Kollegen geschrieben, oder für wen ist es sonst noch von Interesse? Wer sollte dieses Buch lesen?

SH: Das Buch ist schon stark auf Therapeuten, Berater und Coaches hin ausgerichtet. Das liegt daran, dass sich Therapeuten am intensivsten auf einer praktischen Ebene mit verschiedenen Fragetechniken beschäftigt haben und im therapeutischen Umfeld auch die meisten Strategien und Vorgehensweisen entwickelt wurden. Aber über den egeren Bereich von Beratern, Coaches und Therapeuten hinaus, ist das Buch sicherlich für alle interessant, für die jemanden zu befragen ein wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit ist.

RSH: Wenn ich Sie recht verstehe, haben Sie aus der Entwicklung und aus dem Nichtauffinden vollständiger Quellen den Ansatz gewagt, eine nahezu vollständige Monographie über das Fragen im therapeutischen Bereich selbst zu schreiben. Ist das der Anspruch, mit dem Sie dieses Buch vorstellen?

KG: Das kann man so sagen. Allerdings haben wir uns bei den betrachteten Fragen auf die uns bekannten Fragemethoden beschränkt. Darüber hinaus gibt es sicherlich noch weitere Fragetechniken, aber ich glaube, wir haben das Feld schon sehr weit abgesteckt.

RSH: Bevor wir auf die einzelnen Abschnitte des Buches eingehen, was bringt das Buch den Lesern? Vielleicht geben Sie zunächst einmal ein paar Beispiele für verschiedene Fragearten.

KG: Wenn ich z. B. frage: „Sind Sie verheiratet?“, dann ist die Frage für mich als Therapeut wichtig, aber nicht für den Klienten, der weiß das sowieso. Hingegen, wenn ich ihn frage, „Woran würden Sie merken, dass Ihr Symptom endgültig überwunden ist?“, dann ist das natürlich primär eine installierende Frage, die für den Klienten wichtig ist, aber natürlich auch für mich, da ich jetzt weiß, was seine Kriterien sind. Oder wenn man eine hypnotische Frage stellt wie z. B. „Ist die linke Hand schwerer oder die rechte?“, dann ist es für mich überhaupt nicht wichtig, ob die linke oder rechte Hand schwerer ist. Das ist mir letztendlich egal. Entscheidend ist, dass ich damit einen Prozess steuere. Also das wäre ein Beispiel für die Unterscheidung: Für wen ist die Frage wichtig? Für den der fragt, für den der befragt wird, oder für beide? In dieser Art haben wir eine Reihe von – wie wir meinen – wichtigen Unterscheidungen herausgearbeitet, über die sich Therapeuten, Berater, Coaches bewusst sein sollten, wenn sie mit jemandem arbeiten.

RSH: Welche zum Beispiel?

SH: Zum Beispiel die Unterscheidung, ob ich in eine tatsachen-, problem- oder ressourcenorientierte Richtung fragen möchte. Und verbunden damit, welche Fragemethode ich jetzt am sinnvollsten anwenden sollte. Ich gebe Ihnen dazu ein praktisches Beispiel: Eine Frau Anfang 40 kommt zum Therapeuten und klagt über eine Depression. Viele NLPler würden nun standardmäßig metamodellieren oder die interne Repräsentation der ‚Depression’ erfragen: „Bei welchen Anlässen fühlen Sie sich depressiv? Woran genau merken Sie, dass Sie depressiv sind?“ Etc. – Diese Art des Fragens kann nützlich sein, vor allem dann, wenn die Klientin zum ersten Mal zu jemandem über ihre depressiven Gefühle spricht. Dann mag es sogar angebracht sein, sich zunächst einmal ausschließlich auf das Spiegeln zu beschränken wie es GTler tun würden. Meine Bedenken gegen ein routinemäßiges Stellen dieser Fragen besteht darin, dass wir ja noch gar nicht wissen, aus welchem Erfahrungshintergrund die Klientin sagt, sie leide unter eine Depression. Wenn sie darüber schon das Xte Mal geredet hat, was soll dann für sie Neues bei der Befragung herauskommen?

RSH: Sie meinen also, im letzteren Fall ist es falsch, problemorientiert zu fragen. Man sollte ressourcenorientiert weiter fragen?

KG: Genau. Es bieten sich zum Beispiel die zielorientierten Fragen des NLPs an („Was wollen Sie in dieser Sitzung erreichen?“). Eine andere Möglichkeit wäre es, nach dem Ansatz von Steve DeShazer vorzugehen: „Wann haben Sie diese Depression nicht?“ Noch besser wäre es jedoch meines Erachtens, zunächst einmal den generellen Rahmen abzuklopfen, der die Frau in die Therapie führte. Vielleicht ist sie ja eine Therapeuten-Killerin.

RSH: Was ist damit gemeint?

KG: Einem sogenanntem Therapeutenkiller geht es eigentlich gar nicht darum, sein Problem zu beseitigen, sondern er will der Welt und sich beweisen, dass sein Problem nicht lösbar ist. Seine Botschaft an den Therapeuten lautet: „Mir kann man nicht helfen – auch du nicht.“ Solche ‚Klienten-Typen’ schon zu Beginn der Therapie zu erkennen, ist sehr wichtig und expliziter Bestandteil der übergeordneten Fragestrategie, die wir im 4. Teil des Buches erarbeitet haben.

SH: Im obigen Fall stellte sich die Situation wie folgt dar: Die Klientin war im Laufe der letzten zehn Jahre mit derselben Symptomatik bei sieben verschiedenen Therapeuten gewesen und hatte zwei Monate vor der Sitzung eine Psychoanalyse abgeschlossen. Das bedeutet: mindestens drei Jahre lang jede Woche beim Analytiker sein, um ihre Kindheitsgeschichte zu analysieren. In diesem Fall war es also wichtig, zunächst einmal diese Tatsachen zu erfragen. Problemorientiertes Weiterfragen hätte zu keinen neuen Erkenntnissen geführt, sondern wäre nur ein mehr-desselben gewesen. Aber auch ein ressourcenorientiertes Fragen hinsichtlich der Symptomatik wäre kaum von Erfolg gekrönt gewesen (es sei denn, man würde unterstellen, dass alle sieben Therapeuten inkompetent gewesen seien). An dieser Stelle ist es wichtig, Hypothesen zu bilden, was denn eigentlich mit der Klientin los ist und sich als Therapeut genügend Zeit zu lassen, Hypothesen zu bilden.

RSH: Die Hypothesenbildung scheint also auch ein expliziter Bestandteil der übergeordneten Fragestrategie zu sein?

SH: Ohne eine gute Hypothesenbildung wird man als Therapeut oder Coach kaum zu guten Ergebnissen kommen. Im obigen Fall verfolgte der Therapeut, übrigens ein systemisch arbeitender, die Hypothese, dass die vielen Therapien für die Klientin eine wichtige Funktion in ihrem Leben haben müssten. Ohne an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen (der Fall ist in unserem Buch ausführlich beschrieben), ergaben seine darauf ausgerichteten zirkulären Fragen, dass sie die Therapien dazu benutzte, um Auseinandersetzungen mit ihrem Mann aus dem Wege zu gehen. Eine einzige Sitzung reichte aus, ihr das klar zu machen. Hingegen hätte wahrscheinlich weder ein problem- noch ein ressourcenorientiertes Fragen bzw. Intervenieren zu einer Lösung geführt.

RSH: Ein so umfassendes Thema über das Fragen, wie ist das gegliedert, wie ist das aufgebaut?

KG: Der erste große Teil behandelt die theoretischen Grundlagen sowie die Philosophie des Fragens wie wir es oben kurz angedeutet haben. Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit dem NLP, im dritten Teil mit den anderen Therapiemethoden. Diese Ansätze werden anhand von Bespieltranskripten ausführlich dargestellt. Im vierten Teil vergleichen wir die Therapie- und Fragemethoden auf ihre Vor- und Nachteile unter verschiedenen Situationsbedingungen. Im fünften Teil finden Sie zu jeder Therapiemethode außer der GT einige Grundübungen zum Erlernen der Fragemethode.

RSH: Lassen Sie uns die einzelnen Kapitel einmal chronologisch durchgehen. Sie sagen, im 1. Teil beschäftigen Sie sich mit den Grundlagen und der Philosophie des Fragens. Jetzt stelle ich mir – speziell wenn es auch um philosophische Überlegungen geht – das Verständnis einer solch komplexen Materie nicht einfach vor. Wie sind Sie damit umgegangen? Ist das für jeden lesbar, wie sind Sie da sprachlich selbst mit umgegangen?
KG: Der erste Teil, ‚Theoretische Grundlagen des Fragens’, wird in einigen philosophischen Passagen wahrscheinlich nicht für jeden sofort zu verständlich sein. Aber selbst dort haben wir uns bemüht, sprachlich so einfach wie möglich zu formulieren, ohne in der Sache simplifizierend zu sein.

RSH: Muss man den ersten Teil lesen?
KG: Man muss ihn nicht unbedingt gelesen haben, um den Rest zu verstehen. Aber wir meinen, diese Denkanstrengung lohnt sich, um ein tieferes Verständnis zu erlangen. Wir diskutieren hier z.B. die Frage, ob die Psychotherapie eine Wissenschaft oder ein Handwerk ist. Dann machen wir einige grundlegende Aussagen über die vergleichende Therapieforschung, die wir im 4. Teil des Buches auf die Fragemethoden anwenden. Wir legen die philosophischen und sprachlichen Hintergründe der Therapiemethoden dar, beschäftigen uns also mit: Sprachpessimismus, Sprachoptimismus, Strukturalismus, Dekonstruktivismus, Transformationsgrammatik, Konstruktivismus, dem Konzept der Autopoiese, Existenzialismus, Psychosomatik und der Phänomenologie. Dann gehen wir auf die philosophischen Grundlagen des Fragens ein. Zum Beispiel: Was ist der Unterschied von entscheidbaren und unentscheidbaren Fragen? Was sind virtuelle, strategische und konkrete Fragen? Wie ist das Verhältnis von Kontext, Situation und Absicht in denen gefragt wird? Und wenn gefragt wird, ist die Frage für den der fragt wichtig, oder für den der befragt wird?

RSH: Ab Teil II wird es praxisbezogen?
SH: Ganz überwiegend. Wir beschäftigen uns hier mit dem NLP. Da wir das Buch vor allem aus diesem Hintergrund heraus geschrieben haben, machen wir einige grundlegende Aussagen über dessen theoretische Wurzeln: zum Beispiel die Grundannahmen und die zentralen Metaphern. Wir halten das deshalb für wichtig, weil theoretische Auseinandersetzungen im NLP trotz der Vielzahl an Buchveröffentlichungen sehr selten sind. Zudem sind wichtige theoretische Grundlagen bisher vom Großteil der NLP-Gemeinde kaum rezipiert worden. Danach untersuchen wir systematisch die verschiedenen Fragearten, die das NLP hervorgebracht hat. An dieser Stelle wird es wirklich konkret und jede theoretische Äußerung mit Auszügen aus Therapietransskripten illustriert. So kann man sofort die praktische Anwendung und die Vorgehensweisen an praxisrelevanten Beispielen mitverfolgen, vor allem bezogen auf das Metamodell der Sprache.

KG: Hinzu kommen die Erweiterungen des Metamodells, das wäre zum einen der Ansatz von Chong und Chong und der Ansatz von Chris Hall. Des weiteren beschreiben wir die fragezentrierte Therapie von Marilee C. Goldberg sowie Fragetechniken aus dem Diamond-Format. Letzteres stellt zwar kein klassisches NLP Format dar, aber es ist an unserem Institut im Rahmen von NLP-Seminaren entwickelt worden. Das ist also Teil 2.

RSH: Aber Sie sind über die NLP-Welt hinaus gegangen. Können Sie uns vielleicht kurz sagen, welches die Hauptfragemethoden sind, die Sie außer dem NLP untersucht haben?

KG: Wir haben uns mit folgenden Therapieformen beschäftigt: mit der Fragemethode des Brief Family Therapy Centers (BFTC) von Steve DeShazer, mit der Rational-Emotiven Therapie (RET), mit der systemischen Therapie, mit der Idiolektik von Jonas und der modernen Idiolektik sowie mit der Gesprächspsychotherapie (GT).

RSH: Und diese Therapie- bzw. Fragemethoden haben Sie dann miteinander verglichen?
SH: Genau. Bei der Darstellung der Methoden im dritten Teil des Buches sind wir jedes Mal in derselben Weise vorgegangen: Wir geben zuerst einen allgemeinen Überblick über die Methode und untersuchen dann die Grundannahmen bezüglich des Problem-Lösungs-Raumes. Wie stellt man sich das Verhältnis von Problem und Lösung innerhalb dieser Methode vor? Dann stellen wir den konkreten Ablauf einer derartigen Therapie anhand einer typischen Therapiesitzung dar. Dabei untersuchen wir auch, wie die Therapeuten/Klienten Beziehung in diesem Rahmen verstanden wird. Und wir beschreiben, welche unterschiedlichen Fragen es in diesem Modell überhaupt gibt und wie sie durch den Therapeuten kombiniert werden können.

RSH: Das heißt, durch das immer gleiche Raster der Untersuchung gewinnen Sie eine Vergleichbarkeit der Fragemodelle?

KG: Nur in der Gesprächspsychotherapie weichen wir in einem Punkt ab: Hier geben wir keine Fragearten an, weil es nur eine Methode des Fragens gibt: die Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte bzw. das Spiegeln. Wir fanden es aber interessant, diese sehr geläufige Methode der Psychotherapie den anderen Therapieformen gegenüberzustellen. Auch hier verwenden wir viele praktische Beispiele.

RSH: Das zeigen Sie anhand von Therapietranskripten auf?
SH: Wobei wir die Therapietranskripte noch kommentiert haben, so dass der Leser bei jeder Frage des Therapeuten mitverfolgen kann, was dessen Absicht ist, warum er genau so oder vielleicht auch gar nicht fragt.
KG: Im vierten Teil des Buches vergleichen wir die verschiedenen Modelle auf der Basis des Verständnisses des zweiten und dritten Teils. Dort treffen wir konkrete Aussagen, wozu die einzelnen Fragetechniken besonders geeignet sind, was ihre Grenzen sind, was man mit ihnen machen bzw. nicht machen sollte und so weiter.

RSH: Gibt es so etwas wie eine Synthese aus all den unterschiedlichen Modellen? Definieren Sie zum Beispiel die Übergänge, also von der Grenze welchen Modells man als Berater oder Therapeut zu welchem anderen Modell wechseln sollte oder kann?

SH: Am Ende des vierten Teils fassen wir unsere Erkenntnisse in einer übergeordneten Fragestrategie bzw. Metastrategie zusammen. Sie unterscheidet bestimmte Phasen des Therapieverlaufs und gibt Hilfestellungen dafür, welche Fragen in einer konkreten Situation sinnvoller Weise gestellt werden können. Das beginnt ja schon bei der Klientenbegrüßung und der ersten Symptombeschreibung. Zum Beispiel: Ist das wirklich ein Klient, ist das ein Klagender oder ein Besucher – um hier einmal kurz die sehr sinnvolle Klassifizierung von Steve DeShazer zu benutzen. Die Metastrategie gibt uns konkrete Hinweise darauf, wie man die verschiedenen Fragemethoden bei welchen Klienten, bei welchen Fragestellungen, bei welchen Symptomen am besten und sinnvollsten kombinieren kann.

RSH: Das klingt für mich, wenn ich das so alles auf einmal höre, sehr umfangreich. Muss denn jetzt ein Berater dieses Buch mehrmals gelesen haben, bevor er die Ansätze verinnerlicht hat?

KG: Das Buch selbst ist für Praktiker geschrieben. Wir haben zu jedem Block Übungsaufgaben im Buch. So kann man bei einer neuen Therapie- oder Fragemethode für sich selbst erste eigene Erfahrungen machen – z.B. ein wenig zirkulär fragen, metamodellieren oder was auch immer. Dadurch, dass die Teile in sich relativ abgeschlossen sind, kann man, wenn man sich beispielsweise gerade für die Rational-Emotive Therapie interessiert, einfach dieses Kapitel etwas ausführlicher lesen, ohne dass man die anderen unbedingt gelesen haben muss und trotzdem daraus Gewinn ziehen.

RSH: Sie treten auch etwas provokativ auf. Sie sagen, es gäbe theoretische Ungereimtheiten im NLP, Sie sagen, Sie greifen Mythen an, die sich über Jahre gebildet hätten. Haben Sie den Anspruch, etwas aufzuräumen, was diese Sachen angeht?
SH: Im Laufe unserer Arbeit konnten wir sehen, dass der – ich sage mal – „mystifizierende Schleier“ sich nicht auf das NLP beschränken lässt. Heute kann ich sagen, in fast allen Fragemethoden gibt es eine Art Generalmythos, den die jeweiligen Entwickler der Methoden standardmäßig aufbauen: und zwar den Mythos, dass es eine Art notwendige Verbindung zwischen den theoretischen Vorannahmen bzw. den philosophischen Grundpositionen der Entwickler und der Fragemethode als solches gäbe. Das ist aber keineswegs der Fall. Beispielsweise ist der Zusammenhang zwischen den theoretischen Vorannahmen der Transformationsgrammatik und der Fragemethode des Metamodells so locker, dass man ihn als beliebig bezeichnen könnte. Die gute Nachricht dabei ist: man muss die jeweiligen theoretischen Grundüberzeugungen der Entwickler der Fragemethode überhaupt nicht teilen, um sie sinnvoll anwenden zu können.

RSH: Das heißt, Sie würden die Erklärung im NLP-Meta-Modell, warum wir ausgerechnet so fragen, wie wir fragen, eher für eine ad hoc-Erklärung aus eigenem Gusto halten, als für eine strukturelle Darstellung, warum es genau so sein muss?

KG: Das halte ich für überspitzt, ich würde eher sagen, die sprachphilosophischen Vorannahmen führen nicht zwangsläufig dazu, so zu fragen, wie dann tatsächlich gefragt wird. Nehmenwir als ein anderes Beispiel Steve DeShazer, dessen Verständnis der dekonstruktionistischen Sprachphilosophie von Derrida ihn zu einem prinzipiellen Sprachpessimismus führt, der in der Aussage mündet: „Wir können den anderen letztendlich sowieso nicht verstehen“. Ich teile diese Auffassung nicht. DeShazers Methode zu fragen finde ich in bestimmten Kontexten jedoch sehr beeindruckend – ich kann aber all diese Fragen stellen, ohne DeShazer philosophisch nahe zu sein.

SH: Die jeweiligen Weltbilder der Entwickler der Fragemethoden hatten ̈vermutlich einen motivierenden, inspirierenden Charakter. Vielleicht wären sie ohne diese Vorannahmen, ohne diese Grundüberlegungen und Überzeugungen nicht in die Position gekommen, diese Fragemethoden zu entwickeln.

RSH: Also muss man kein Kommunikationspessimist sein, um die Wunderfrage zu stellen?
KG: … oder Skalierungsfragen. Und man muss vor allen Dingen nicht an den Mythos der Tiefenstruktur als den Ort der eigentlichen Bedeutung des Satzes glauben, um sinnvoller Weise Metamodellfragen zu stellen.
RSH: NLP selbst ist ja auch das Ergebnis einer Expertisestudie. Zumindest wird es so kolportiert, dass sich Bandler, Grinder und Dilts sogenannte therapeutische Hexenmeister angeschaut haben, von denen vorher nicht so klar war, was denn nun eigentlich ihre Zauberkraft ausmacht. Birgt denn Ihr Buch ein ähnliches Potenzial, dass man sagen kann, wir haben uns Spezialisten für Fragetechniken angeschaut und haben jetzt ein zugrunde liegendes Muster erkannt, das auch lehr- und lernbar ist?

SH: Hier sprechen Sie einen weiteren Mythos an. Es wird so getan, als ob das Metamodell aus dem Modeling von Therapeuten entstanden sei. Bei Licht besehen zeigt sich aber, dass sich hier eher Grinders Ausbildung als Linguist durchgesetzt hat. Darüber hinaus gibt es für das Meta-Modell keine Fragestrategie. D.h. es gibt keinen Leitfaden, der angibt, wie man welche Metamodellverletzung in welcher Reihenfolge hinterfragt. Hier verweisen Bandler und Grinder auf die Intuition der Anwender. Eine tatsächliche Modellierung von Therapeuten hätte aber gerade die Aufgabe deren Strategie verständlich zu machen. Eine rein am Satz und an linguistischen Strukturen orientierte Auflistung von Fragen kann man nicht allen Ernstes als die Modellierung von therapeutischen Spitzenleistungen bezeichnen.

KG: Man kann sagen: alle von uns untersuchten Fragemethoden haben sich in der Praxis bewährt: für unterschiedliche Symptomklassen, für unterschiedliche Kliententypen, für unterschiedliche Fragestellungen. Und alle diese Fragestellungen haben ihren blinden Fleck, haben ihre Grenzen, haben ihre Symptomklassen, für die sie nicht besonders gut geeignet sind. Aber die meisten Autoren treten so auf, als wenn ihre Methode eine Art Generalschlüssel wäre, als könne man damit alle Problemstellungen gleichermaßen behandeln. Wir glauben, wir konnten an vielen praktischen Bespielen zeigen, warum diese Annahme selbst ein Mythos ist. Aber nichtsdestotrotz ist die einzelne Methode vielleicht gerade durch ihre Einseitigkeit auf ein sehr hohes Niveau entwickelt worden. Dieses Niveau kann man sich aneignen, ohne den Größenwahn zu teilen, mit der Methode alles machen zu können. Wenn man all diese Fragemethoden beherrscht, dann hat man natürlich eine wesentlich größere Flexibilität auf unterschiedlichste Beratungssituationen angemessen fragend zu antworten.

RSH: Was kann der Leser in dem Buch noch erfahren?
SH: Wichtig ist auch das Kapitel mit den Übungen im fünften Teil. Da gibt es schriftliche Übungen zu den verschiedenen Methoden, außerdem ein sehr ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein Personen- und Sachregister.
RSH: Aber das ist noch nicht alles?
KG: Tatsächlich nicht. Wir freuen uns, daß Professor Rudolf Kaehr, der führende Experte auf dem Gebiet der Polykontexturalen Logik einen Anhang beigesteuert hat. In diesem Anhang zeigt er, wie man die Skalierungsfragen von Steve DeShazer, die ja linear sind (also nach besser oder schlechter auf einer festen Skala von 1 bis 10 fragen), im Rahmen einer polykontexturalen Skalierungstheorie nutzen kann. Es geht dabei darum, simultan die verschiedenen Erlebnisqualitäten und ihre jeweiligen Intensitäten abzubilden.

RSH: Das klingt nach einem Goody für echte Fachinteressenten.
KG: So ist es auch gemeint. Uns war einfach wichtig, einen wirklich umfassenden Überblick und auch interessante Ausblicke zu geben.
RSH: Ich denke, mit diesem Werk ist Ihnen das gelungen – Ich werde mich dann mal zur Lektüre der 500 Seiten zurückziehen und bedanke mich für das Gespräch.

 

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Klaus Grochowiak ist NLP Master Trainer und Inhaber des Trainingsinstitutes Creative NLP Academy. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher.

Stefan Heiligtag ist NLP-Trainer. Er ist als Autor von Fachbüchern und als Trainer und Coach für Unternehmen und Behörden tätig.

 

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