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Einsatz des Reiss Profile im Führungstraining

Jeder hat eine ganz eigene Sicht auf sich und die Welt sagt man im Konstruktivismus, und jede Führungskraft kann von dieser Alltagserfahrung ihr eigenes Lied singen. Manche Mitarbeiter arbeiten penibel und genau; alles muss geregelt sein; andere fühlen sich nur wohl, wenn sie in einem Mindestmaß an kreativem Chaos leben können. Manche kleiden sich überaus sorgfältig, es ist ihnen wichtig, dass sie bei anderen einen guten Eindruck machen; anderen ist es relativ egal. Es macht unsere Einzigartigkeit als Mensch aus, dass wir durch unterschiedliche Wertvorstellungen und Lebensmotive angetrieben werden. Um wie viel einfacher wäre es, mit anderen Menschen umzugehen, wenn wir ihre wichtigsten Werte und Leitmotive verstehen würden. Im Umgang mit der eigenen Familie, mit Kollegen und im Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Auf letztere  möchte ich mich in diesem Beitrag konzentrieren; vor allem darauf, was sie antreibt und wie nützlich es für die eigene Führungsarbeit ist, das zu erkennen.

Was Menschen in ihrem Leben antreibt, darüber hat Stephen Reiss mehr als fünf Jahre intensiv wissenschaftlich geforscht. In Befragungen von über fünftausend Personen in drei Kontinenten entwickelte er mit dem Reiss Profile ein wissenschaftlich sehr gut verifiziertes Diagnoseinstrument, das 16 Lebensmotive unterscheidet. Die folgende Grafik beschreibt die Motive mit ihren  Ausprägungen. Gelb steht hierbei für den Bereich der Motivausprägung, in dem sich gemäß der Gaußschen Normalverteilung ca. 68% der Menschen bewegen. Auf die Bereiche mit einer hohen Ausprägung (grün) und mit einer niedrigen Ausprägung (rot) des jeweiligen Motivs verbleiben dann jeweils 16%.

 

Generell kann man sagen, dass Menschen, die sich hinsichtlich eines Motivs im gelben Bereich befinden, flexibler agieren als jene im grünen oder roten Bereich. Jemand dem Beziehungen sehr wichtig sind (grün), wird schlecht mit Situationen umgehen können, in denen er gezwungen wird, lange keinen Menschen zu sehen, während (umgekehrt) ein Eremit (Beziehung rot) wohl große Schwierigkeiten damit hätte, wenn er permanent in einer Großstadt leben müsste. Wenn man hinsichtlich einer Motivausprägung im gelben Bereich ist, hat man gewöhnlich eine höhere Verhaltensflexibilität bzw., man kann sie sich durch Weiterbildungen oder Gewöhnung etc. aneignen.

Diese Erkenntnisse haben Konsequenzen auf die Mitarbeiterführung. Im Teamtraining (wenn alle das Reiss Profile ausgefüllt haben, aber nur ich die Ergebnisse aller kenne) lasse ich die Führungskraft oft zwei ihrer Mitarbeiter benennen, nämlich die beiden, die sie am meisten und am wenigsten wert schätzt. Meistens stellt sich heraus, dass sich die Profile der Führungskraft und der des am meisten geschätzten Mitarbeiters ähneln während das Reiss Profile des am wenigsten wert geschätzten stark von dem der Führungskraft unterscheidet.

Welche Auswirkungen unterschiedliche Ausprägungen in den Lebensmotiven auf die Zusammenarbeit haben können, will ich am Beispiel des Motivs ‚Anerkennung’ verdeutlichen. Gehen wir einmal davon aus, dass der Mitarbeiter viel Anerkennung benötigt ‚Motivausprägung grün’ während die Führungskraft diese nicht braucht (Anerkennung rot).

Menschen, die im grünen Bereich angesiedelt sind, streben nach sozialer Akzeptanz, so dass sie sich sehr stark darum bemühen, die an sie gestellten Aufgaben gut bis sehr gut zu erfüllen. Sie fühlen sich in der Regel unsicher und brauchen die Bestätigung von außen; vielleicht wollen sie sogar bewundert werden.  Typisch ist, dass sie sehr sensibel auf Kritik reagieren und Angst haben, zurückgewiesen zu werden.  Menschen, die bei dem Motiv „Anerkennung“ im roten Bereich sind, fühlen sich hingegen durch Kritik angespornt, das eigene Verhalten zu verbessern. Sie sind selbstsicher und fordern direkte Kritik ein. Ein Mitarbeiter mit ‚grüner Anerkennung’ könnte sich hingegen durch eine offene Kritik schwer verletzt fühlen.

Es ist klar, dass eine Führungskraft die beiden Mitarbeiter viel besser motivieren kann, wenn sie unterschiedlich behandeln würde. Für einen Mitarbeiter mit ‚Anerkennung grün’ wäre es zum Beispiel fundamental, dass er regelmäßig gelobt wird, was bei jemandem im roten Bereich sogar kontraproduktiv sein könnte (zumindest, wenn es sich nicht um besondere Leistungen handelt). Ist es notwendig, Kritik zu äußern ist es im Fall von Mitarbeitern mit ‚Anerkennung grün’ von Vorteil, das richtige Verhalten für die Zukunft aufzuzeigen und damit das Lob in Aussicht zu stellen.  Die Kritik sollte indirekt ausgesprochen werden und braucht nicht ausführlich thematisiert zu werden. Es wird ihn eher motivieren, wenn man ihm Selbstsicherheit zuspricht und das eigene Vertrauen in ihn betont. Sätze wie die folgenden werden ihn motivieren:

•„Das hat mich wirklich beeindruckt“

•„Wir könnten es in Zukunft noch besser machen, wenn wir…“

•„Ich weiß, dass Sie das können“

Weitere motivierende Maßnahmen seitens der Führungskraft könnten sein:

• dem Mitarbeiter eine Eigenkontrolle ermöglichen statt dies selbst zu tun

• erreichbare, aber nicht unterfordernde Ziele setzen und Teilziele separat loben

• Wenn es möglich und erwünscht ist, dem Mitarbeiter Perfektion zu ermöglichen, indem man ihm genug Informationen, Zeit u.a. gibt und detaillierte Vorgaben macht.

Im Gegensatz dazu kann man einen Mitarbeiter mit ‚Anerkennung rot’ direkt und offen kritisieren und, falls kein Einsehen herrscht, es durch Zahlen, Daten und  untermauern. Auf der Handlungsebene kann man ihm herausfordernde Aufgabenstellungen geben; man muss eher darauf achten, dass er sich bei seinem hohen Selbstbewusstsein nicht selbst überschätzt und ihm ggfs. Grenzen aufzeigen. Da Menschen mit ‚roter Anerkennung’ häufig nicht so sensibel und einfühlsam sind, kann es sinnvoll sein sie auf verletztende Verhaltensweisen anderen gegenüber aufmerksam zu machen, wenn man dies beobachtet.

 

 

 

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